Ich bin seit Jahrzehnten leidenschaftlicher Fußballfan. Es ist klasse ins Stadion zu gehen, mit 50.000 Fans die eigene Mannschaft anzufeuern und Siege zu feiern.
Doch es gibt Momente, da kann man über Teile des Profifußballs nur den Kopf schütteln: Das war diese Woche der Fall.
Nicht nur, dass der FC Bayern zu einem belanglosen Fußball-Turnier nach Qatar gereist war, samt eines Corona-positiven Spielers, nein, der Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge forderte gleich auch noch, dass die Profifussballer prioritär geimpft werden sollten. Sie könnten – so Rummenigge – Vorbild für viele andere sein.
Die Profifussballer genießen seit Monaten Privilegen während der Pandemie. Sie werden ständig getestet, sie dürfen weiter Sport machen, sie dürfen weiter reisen. Im Gegensatz zu vielen kleinen Mädchen und Jungs, die nichtmal mit ihren Freunden auf dem Bolzplatz kicken dürfen. Und genau diese privilegierten Profis sollen dann – bei leider immer noch deutlich zu wenig Impfstoff – Prioritär geimpft werden.
Zudem erlaubt sich Hansi Flick, Bayern-Trainer, einen Rundumschlag gegen die von ihm bezeichneten „sogenannten Experten“ in der Bewältigung der Corona-Pandemie und kritisiert hierbei in unangemessener Form unseren SPD-Gesundheitsexperten und Epidemiologen Prof. Dr. Karl Lauterbach.
Solche Aussagen entsetzen mich zutiefst. Denn hier hätte der Profifußball die Chance eine Vorbildfunktion zu leben, sich hinter die verabredeten Maßnahmen des Bundes und der Länder zu stellen und für Verständnis sowie die Erhöhung der grundsätzlichen Impfbereitschaft in der Bevölkerung zu werben. Doch das ist nicht gelungen. Stattdessen hat der FC Bayern München die vergangenen Tage ein Eigentor nach dem anderen und die rote Karte für Foulspiel kassiert.
An all der Debatte entsetzt mich am meisten, dass diese Verantwortlichen im Profifußball verkennen, wer seit Monaten die Held_innen des Alltags sind: Das sind nämlich die Familien und Alleinerziehende, die ihr Leben mit Arbeit sowie geschlossenen Kitas und geschlossenen Schulen organisieren.
Das sind all die Pfleger_innen, Ärzt_innen und weitere Mitarbeiter_innen im medizinischen Bereich, die aufopferungsvoll unter schwersten Bedingungen gegen die gesundheitliche Krise in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ankämpfen.
Das sind all die Ehrenamtlichen, die in ihrer Freizeit beim Errichten von Behelfskrankenkäusern und Impfzentren mitgewirkt haben sowie Erzieher_innen und Lehrkräfte, die trotz fehlendem Präsenzunterricht alles geben, damit alle Kinder durch Bildung gerechte Chancen in ihrem Leben erhalten.
Was wir jetzt brauchen sind keine weiteren Privilegien für den Profifußball. Stattdessen muss sichergestellt werden, dass das medizinische Personal, gefährdete und ältere Bevölkerungsgruppen und auch Lehrer_innen und Erzieher_innen bevorzugt geimpft werden.
Jetzt gilt: Familien und Alltagheld_innen zuerst!